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Venedig – Traumziel oder Touristenfalle?

Ende der 90er war ich mit der Schule in Italien. Ein Ausflug von wenigen Stunden führte uns nach Venedig. Auch wenn mir nicht viel von diesem Tag in Erinnerung blieb, so hinterließ mir die Stadt ein Gefühl der Faszination und den Wunsch wiederzukommen.

In diesem Jahr ist es soweit: Mein Reisebegleiter und ich fahren nach Italien. Gestartet wird in Venedig. Wir haben keinen Plan für Sehenswürdigkeiten gemacht, den wir abarbeiten müssen. Wir wollen uns treiben lassen, verlaufen und hoffentlich ein authentischeres Venedig kennenlernen.
Zugute kommt uns in diesem Jahr, dass sich die Reiselust noch nicht wieder normalisiert hat und die gefürchteten Menschenmassen ausblieben. Das kleine familiengeführte Hotel liegt im Stadtteil Dorsoduro, dem lebendigen Studentenviertel. Zwar führt der Touristenpfad vom Piazzale Roma Richtun San Marco direkt hier vorbei, doch sobald man eine der vielen Seitengassen betritt, ist man alleine oder von Venezianern umgeben.

Meine Erinnerung hat mich nicht getäuscht: Venedig ist ein Gefühl, eine stolze, und zu Recht stolze, Stadt, deren Alltag einige Hürden zu meistern hat, die einem zunächst eventuell nicht bewusst sind.

An jeder Ecke wird man in die Vergangenheit zurückversetzt und glaubt gerne, dass Marco Polo ein ähnliches Bild vor Augen hatte.

Eins der schönsten Erlebnisse war eine morgendliche Fahrt auf dem Canal Grande mit der Linea 1 vom Piazzale Roma bis zum Lido. Der Wasserbus war voll von Menschen, die auf dem Weg zur Arbeit und, wie überall auf der Welt, vertieft in ihr Handy waren; während wir die Palazzi und Häuser bestaunten, die die aufgehende Sonne in goldenes Licht tauchte. Im Anschluss besuchten wir den Stadtteil Guidecca, den man nur per Boot erreichen und auf den man vom San Marco aus blicken kann.

Für den folgenden Tag, einen Samstag, hatten wir uns etwas überlegt, um dem vermeintlichen Touristenansturm in der Innenstadt von Venedig zu entrinnen: einen Besuch der vorgelagerten Inseln Murano und Burano. Was für ein Irrtum zu glauben, wir wären die einzigen mit dieser Idee gewesen. Auf der 40-minütigen Überfahrt bekamen wir keinen Sitzplatz und standen auf engem warmen Raum. Es vermittelte uns einen Eindruck im Kleinen, wie es Venedig ergeht, wenn große Kreuzfahrtschiffe anlegen und die Stadt von Menschenmassen überrollt wird. Diese Erfahrungen hinterließen gemischte Gefühle. Einerseits sind die Inseln, insbesondere Burano mit ihren farbenprächtigen Häusern wunderschön. Andererseits waren wir an diesem Tag Teil der gesichtslosen Masse, was mir ein schlechtes Gewissen verursacht hat.

Abschließen möchte ich den Bericht mit einer schönen Erinnerung. An einem Abend waren wir noch spät unterwegs und suchten uns den Weg durch ein Labyrinth an dunklen, leeren Gassen zurück zum Hotel. Es war wirklich sehr ruhig, doch als wir um eine Ecke bogen, eröffnete sich vor uns ein riesiger Platz. Er sprühte vor Lebendigkeit. Rings um ihn waren Restaurants, Cafés und Bars. Menschen redeten und lachten miteinander. Hier war es so, wie es sein sollte. Die Touristen fügten sich in die Umgebung ein und bildeten nur eine Minderheit zwischen Venezianern und einheimischen Reisenden.

So kann es also auch sein: ein Venedig, das man besuchen darf und dankbar dafür ist, dass es für die Menschen aus aller Welt mit viel Mühe erhalten wird.

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